Kreditinstitute stellen bei vorzeitiger Tilgung von Bankdarlehen oft erhebliche Vorfälligkeitsentschädigungen in Rechnung. Ein Darlehensnehmer, der seinen Kredit vorzeitig tilgen möchte, sollte die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seiner Bank sorgfältig prüfen. Hier erfahren Sie, wie Sie dafür vorgehen.
Vorfälligkeitsentschädigung bei Hausverkauf
Eine Vorfälligkeitsentschädigung beim Verkauf der Wohnung/Haus kann durchaus einen erheblichen Betrag erreichen. Es gibt jedoch Möglichkeiten einer Darlehenstilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
- Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
- Woran orientiert sich die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung?
- Urteil des Bundesgerichtshofs: Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung - Sondertilgungsrechte müssen berücksichtigt werden
- Verschiedene Methoden zur Berechnung des Zinsschadens
- Vorfälligkeitsentschädigung umgehen
- Wie sollte ein Kreditnehmer mit der Vorfälligkeitsentschädigungs-Berechnung seiner Bank umgehen?
- Vorfälligkeitsentschädigungen steuerlich absetzen
- Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei wirksamem Widerruf des Darlehensvertrages
Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist der Ausgleich des Zinsschadens, der einem Kreditinstitut bei vorzeitiger Tilgung eines Darlehens (z.B. wegen Hausverkauf) entsteht.
Die Zinsdifferenz zwischen Darlehenszinssatz und Wiederanlagezinssatz ist Berechnungsgrundlage.
Seit 2016 müssen nicht ausgeübte Sondertilgungsrechte bei der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigt werden.
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Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist ein Ausgleich für den Schaden, der einem Kreditinstitut bei einer vorzeitigen Kredittilgung entsteht. Bei einer auf Wunsch des Kreditnehmers erfolgenden vorzeitigen Darlehensrückführung darf der Darlehensgeber den durch die Kündigung verursachten Zinsschaden verlangen (§ 490 Absatz 2 Satz 3 BGB).
Ein Schaden entsteht der Bank dann, wenn der mit einem Kreditnehmer im Darlehensvertrag vereinbarte Kreditzinssatz oberhalb des Zinssatzes eines Ersatzgeschäftes (eines Anlage- oder Kreditgeschäftes) liegt, das die Bank aktuell tätigen könnte. Befindet sich der seinerzeit vereinbarte Darlehenszinssatz jedoch unterhalb des Zinssatzes, zu dem das Kreditinstitut ein Ersatzgeschäft nunmehr vornehmen könnte, so fällt kein Schaden und damit keine Vorfälligkeitsentschädigung an.
Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung berechnet sich aus dem Abstand zwischen vereinbartem Darlehenszinssatz und aktuellem Wiederanlagezinssatz, der Höhe des vorzeitig getilgten Darlehensbetrages und des Zeitraums bis zum Ablauf einer Zinsbindungsfrist: Je länger der verbleibende Zinsbindungszeitraum, desto höher ist die Vorfälligkeitsentschädigung.
Einzelheiten zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
- Zum "Zinsverschlechterungsschaden" wird bei der Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung eine Gewinnmarge für die Bank addiert. Als Gewinnmarge erkennt die Rechtsprechung 0,5 Prozent p. a. an.
- Der Vorfälligkeitsentschädigungs-Berechnung muss die Annahme zugrunde gelegt werden, dass der Darlehensnehmer alle vertraglich vereinbarten Sondertilgungsrechte genutzt hätte.
- Im Zinssatz enthaltene Verwaltungskostenanteile für die Restlaufzeit des Darlehens sind bei der Vorfälligkeitsentschädigungs-Berechnung in Abzug zu bringen.
- Ebenso wenig darf die Bank die im Zinssatz berücksichtigten Risikokosten für die Restlaufzeit des Kredites in Rechnung stellen, da bei einer Darlehensrückführung auch das Kreditrisiko der Bank für die Zukunft entfällt.
- Die Bank kann für den Aufwand bei der vorzeitigen Darlehensrückführung jedoch ein angemessenes Bearbeitungsentgelt verlangen.
- Ein vom Darlehensnehmer bei Darlehensauszahlung entrichtetes Disagio* wird nicht erstattet, da dieses den Charakter einer Zinsvorauszahlung besitzt. Allerdings führte das Disagio bei Abschluss des Darlehensvertrages zu einem geringeren Darlehens-Nominalzinssatz, so dass die Bank nur einen entsprechend niedrigeren Zinsschaden geltend machen kann.
- Eine anteilige Disagio-Erstattung kommt allerdings dann in Betracht, wenn
- Sondertilgungen im Kreditvertrag vereinbart waren oder
- das Disagio für einen Zeitraum berechnet wurde, der über die nächste Kündigungsmöglichkeit hinausreichte (z. B. über den Zinsbindungszeitraum hinaus).
* Ein Disagio (andere Bezeichnungen sind Damnum oder Abgeld) = ein Abschlag vom Ausgangsbetrag (Nennwert), der bei Gewährung eines Kredites einbehalten wird.
- Darlehen mit Zinsbindungen über zehn Jahren
Wenn eine Zinsbindungsfrist bereits zehn Jahre läuft, so können Darlehen unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist ganz oder teilweise zurückgezahlt werden - ohne Vorfälligkeitsentschädigung bei der Kündigung eines Kredits. Die Zehnjahresfrist beginnt mit dem vollständigen Empfang des Darlehens (§ 489 Absatz 1 Ziffer 2 BGB). Bei Darlehensverlängerungen gilt der Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung als Beginn des Fristlaufs. - Variabel verzinsliche Kredite
Bei variabel verzinslichen Krediten darf der Darlehensnehmer „einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit“ mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist kündigen (§ 489 Absatz 2 BGB). Besteht der Kreditnehmer auf einer Darlehensrückzahlung innerhalb der Drei-Monats-Frist, so kann das Kreditinstitut eine Vorfälligkeitsentschädigung für den Zeitraum bis zum Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist berechnen. - Endende Zinsbindungsfrist
Bei endender Zinsbindungsfrist darf der Darlehensnehmer unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Zinsbindungsende kündigen, wahlweise auch zu einem späteren Termin (§ 489 Absatz 1 Ziffer 1 BGB).
Urteil des Bundesgerichtshofs: Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung - Sondertilgungsrechte müssen berücksichtigt werden
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016 müssen noch nicht ausgeübte Sondertilgungsrechte bei der Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigt werden (BGH-Urteil vom 19. Januar 2016, Aktenzeichen XI ZR 388/14). Eine anders lautende Klausel in einem Darlehensvertrag, die vorsieht, dass dem Kreditnehmer zustehende, aber noch nicht geltend gemachte Sondertilgungsrechte nicht in die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung einfließen, erklärte der Bundesgerichtshof für unwirksam.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das Kreditinstitut durch Vereinbarung von Sondertilgungsrechten auf einen entsprechenden Teil seiner Zinserwartungen verzichtet habe. Daher sei ein rechtlicher Schutz des Kreditinstituts hinsichtlich dieses Zinsanteils nicht gerechtfertigt. Hat ein Kreditkunde bereits eine entgegen dem Urteil zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt, so darf er den zu viel gezahlten Betrag zurückverlangen.
Banken dürfen bei der Berechnung des Zinsschadens zwischen zwei Berechnungsmethoden wählen: zum Einen die Aktiv-Passiv-Methode und zum Anderen die Aktiv-Aktiv-Methode:
Bei Wahl der „Aktiv-Passiv-Methode“ ermittelt die Bank die Differenz zwischen der (bei Fortführung des Kredites vorhandenen) Darlehensrendite und dem Zinsgewinn, der bei Anlage in Pfandbriefen für die Bank entstehen würde. Der „Aktiv-Aktiv-Methode“ liegt die Annahme zugrunde, dass die Bank das Darlehen – wenngleich zu niedrigeren Zinsen – an einen anderen Darlehensnehmer weiterverleiht.
Meist ist das Aktiv-Passiv-Verfahren für die Kreditinstitute die günstigere Methode, da die Pfandbrief-Renditen gewöhnlich unter den Darlehenszinssätzen liegen, die von Kreditnehmern zu entrichten sind. Wird die Aktiv-Passiv-Methode als Berechnungsgrundlage verwendet, so können Banken daher regelmäßig einen höheren „Zinsschaden“ geltend machen.
Der Bundesgerichtshof hat am 30. November 2004 entschieden (XI ZR 285/03), dass bei Anwendung des Aktiv-Passiv-Verfahrens keine PEX-Renditen (Hypothekenpfandbriefindex des Verbands deutscher Hypothekenbanken) zugrunde gelegt werden dürfen. Denn diese stellen keine am Markt realisierten Renditen, sondern besonders niedrige Angebotsrenditen ohne tatsächliche Pfandbriefkäufe dar.
Beispiel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
- Darlehenshöhe: 100.000 Euro
- Vereinbarter Nominalzinssatz: vier Prozent
- Erzielbarer Wiederanlagezinssatz: 0,5 Prozent
- Verbleibende Zinsbindungsdauer: zwei Jahre
- Monatliche Kreditrate: 1.000 Euro
In diesem Beispielsfall entsteht der Bank ein Zinsschaden von 6.420 Euro. Außerdem berechnet das Kreditinstitut Bearbeitungsgebühren (z. B. 100 Euro). Zugleich spart die Bank zukünftige Risikokosten (z. B. 90 Euro) und Verwaltungskosten (z. B. 200 Euro) ein.
Somit wird eine Vorfälligkeitsentschädigung von (saldiert) 6.230 Euro fällig.
Eine Vorfälligkeitsentschädigung kann durchaus einen erheblichen Betrag erreichen.
Folgende Möglichkeiten zur Darlehenstilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung gibt es:
- Bauspardarlehen können im Gegensatz zu den Hypothekendarlehen anderer Kreditinstitute jederzeit, ohne Frist und ohne zusätzliche Kosten ganz oder teilweise zurückgeführt werden. Eine solche Sondertilgungsmöglichkeit ist in den „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Bausparkassen vorgesehen.
- „Objekttausch“: Verkauft ein Immobilienbesitzer eine finanzierte Immobilie und erwirbt gleichzeitig ein anderes Objekt, das er durch dieselbe Bank finanziert, so verzichtet das Kreditinstitut oft auf die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung.
- Alternative zur Darlehensablösung: Um die hohen Kosten für die Löschung bisheriger und für die Bestellung neuer Grundpfandrechte zu vermeiden, könnte der Käufer in die bereits bestehende Finanzierung des Verkäufers eintreten. Eine Kreditübernahme durch den Käufer setzt das Einverständnis der finanzierenden Bank voraus.
Weitere Details zu diesem Thema finden Sie auch auf unserer Seite Hausverkauf mit laufender Finanzierung.
Ein Darlehensnehmer, der seinen Kredit vorzeitig tilgen möchte, sollte die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seiner Bank sorgfältig prüfen. Da es sich bei Darlehensverträgen von Kreditinstituten regelmäßig um Formularverträge handelt, gilt ergänzend das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Daher haben Kreditnehmer nach § 309 Ziffer 5 Buchstabe b BGB das Recht, nach Erstellung einer Vorfälligkeitsentschädigungs-Berechnung durch das Kreditinstitut den Gegenbeweis anzutreten, dass der Schaden tatsächlich geringer ist als von der Bank angenommen.
Eine unzulässig hohe Vorfälligkeitsentschädigungs-Berechnung liegt zum Beispiel vor, wenn eine Bank zwar nach der Aktiv-Passiv-Methode abrechnet, zugleich aber eine direkte Neuausleihung, also ein „Aktivgeschäft“, vornimmt – beispielsweise, indem das Kreditinstitut nach einem Immobilienverkauf sofort die Neufinanzierung derselben Immobilie durchführt.
- Stellen Sie fest, ob die Bank-Abrechnung vollständig und detailliert genug ist
Die Berechnung muss die Quelle der zugrunde gelegten Zinssätze und deren Gültigkeitszeitraum klar benennen. Prüfen Sie, wie hoch die eingesparten Verwaltungs- und Risikokosten sind, zu deren Berücksichtigung die Bank bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet ist. Möglicherweise standen Ihnen bis zum Ende der Zinsbindungsfrist kostenfreie Sondertilgungsrechte zu. Hat Ihre Bank in Höhe dieser noch ausstehenden Sondertilgungsrechte auf die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigung verzichtet (entsprechend einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2016)? - Lassen Sie die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch Fachleute kontrollieren
Kostenfreie Online-Finanzrechner ermöglichen Ihnen eine erste Einschätzung, ob die Bankberechnung korrekt ist. Nehmen Sie zusätzlich Kontakt zu einem unabhängigen Rechts- oder Finanzexperten auf, um eine einwandfreie Vorfälligkeitsentschädigungs-Berechnung zu erhalten. - Schreiben Sie das Kreditinstitut an
Falls ein Fachgutachten ergibt, dass eine niedrigere Vorfälligkeitsentschädigung angemessen wäre, sollten Sie Ihr Kreditinstitut schriftlich benachrichtigen. Fügen Sie das Fremdgutachten bei und fordern Sie Ihre Bank unter Fristsetzung zur Reduzierung der Vorfälligkeitsentschädigung auf. - Schalten Sie bei Bedarf einen Rechtsanwalt ein
Sollte Ihre Bank nicht reagieren oder die Vorfälligkeitsentschädigung nicht reduzieren, dann kann es sinnvoll sein, einen Rechtsanwalt einzuschalten – vorzugsweise einen Fachanwalt für Bankrecht. Bedenken Sie aber, dass eine Rechtsberatung Kosten verursacht, die eine mögliche Einsparung bei der Vorfälligkeitsentschädigung reduzieren. Rechtsschutzversicherte sollten vor dem Gang zum Rechtsanwalt klären, ob die Versicherung zur Kostenübernahme bereit ist.
Eventuell können Vorfälligkeitsentschädigungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden. Hierfür hat der Bundesfinanzhof folgende Voraussetzungen definiert (BFH-Urteil vom 6.12.2005, Az. VIII R 34/04):
- Die Kreditaufnahme muss zur Finanzierung einer vermieteten Immobilie erfolgt sein.
- Wegen einer Umschuldung wird der Kredit vorzeitig zurückgeführt.
- Die Immobilie wird unverändert zur Erzielung von Miet- oder Pachteinkünften genutzt.
- Die Absetzbarkeit der Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten ist unabhängig davon gegeben (oder nicht gegeben), ob ein zu versteuernder Veräußerungsgewinn vorliegt.
Eine steuerliche Absetzbarkeit der Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten ist nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs jedoch nicht möglich, wenn die Darlehensrückführung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Immobilie erfolgt. Denn dann steht die Vorfälligkeitsentschädigung nicht mit der Vermietungstätigkeit, sondern mit der Immobilienveräußerung in Zusammenhang. Soweit eine steuerliche Geltendmachung als Werbungskosten nicht in Betracht kommt, so mindert eine Vorfälligkeitsentschädigung jedoch einen eventuell zu versteuernden Veräußerungsgewinn.
Verbraucher können ihren Darlehensvertrag innerhalb von 14 Tagen gegenüber dem Kreditinstitut widerrufen (gesetzliches Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB). Bei einem wirksamen Widerruf gilt der Vertrag als von Anfang an nicht abgeschlossen. Der Darlehensvertrag wird dann rückabgewickelt: Gegen Rückzahlung der Darlehenssumme (zuzüglich einer marktüblichen Verzinsung des Darlehensbetrages) erhält der Kreditnehmer die gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen zurück. Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist bei Widerruf nicht zu entrichten.